50 Jahre ET und OPU/IVF: immer größerer Einfluss auf die Holsteinrasse

Pioniere auf dem Gebiet von ET und OPU/IVF. Die Herden von Ruann und Maddox Dairy in Kalifornien produzierten fast 150.000 Embryonen in 40 Jahren.

Vor 50 Jahren, am 12. März 1974, wurde das erste Holsteinkalb aus ET geboren. Der Bulle namens Rockalli Son of Bova gab den Startschuss für die Entwicklung der Reproduktionstechnik ET (Embryotransfer) und damit der Holsteinrasse. Großen Einfluss genießt seit diesem Jahrhundert auch OPU/IVF (Ovum Pick-Up/In Vitro Fertilisation), deren aktuelle Möglichkeiten HI sondiert hat. Nicht nur im Spitzensegment der Zucht, sondern auch als Managementinstrument auf Milchviehbetrieben.

JORDEN STEGINK, HAN HOPMAN & CHRISTINE MASSFELLER

Nordengland 1890. Der Wissenschaftler Walter Heape überträgt befruchtete Eizellen aus einem Angora-Kaninchen in ein Empfängertier der Rasse Belgian Hare. Mit Erfolg, wie sich zeigt, als die Belgian Hare-Kaninchendame unverkennbar Angora-Junge wirft. Heapes bahnbrechendes Experiment wurde von unschätzbarer Bedeutung für die Holsteinzucht. Das zeigt zum Beispiel die gTPI-Liste von Holstein USA. Ausnahmslos alle 200 dort aufgeführten Bullen wurden per ET oder OPU/IVF gezüchtet.

RUANN/MADDOX

Bova, das welterste ET-Holsteinkalb und der spätere Stammvater von Manfred und O-Man, wurde im US-Bundesstaat Washington geboren.1.250 Meilen weiter südlich, in Kalifornien, liegen Ruann und Maddox Dairy, zwei Milchviehbetriebe mit langer ET- und OPU/IVF-Historie. „Unsere Donoren produzieren jährlich 4.000 bis 5.000 Embryonen. Insgesamt haben unsere Herden rund 150.000 Embryonen produziert. In unserem Labor führen wir auch ET’s für andere Züchter durch; das sind dann noch einmal 5.000 Embryonen pro Jahr.“ Pat Maddox erzählt uns mehr über die Geschichte des Familienbetriebs: „1978 stellte mein Vater Doug einige seiner Kühe für eine ET-Demonstration zur Verfügung. Unser hiesiger Tierarzt, Dr. Bob Cutright, hatte das Verfahren 1980 erlernt, so dass wir unsere besten Kühe von ihm spülen ließen. Einige Jahre später kam Em Tran mit einem mobilen ET-Service nach Kalifornien, den Dr. Ken Halbach leitete. Wir nutzten beide ET-Services und erweiterten unser ET-Programm. 1983 bauten wir einen ET-Stall mit einer Indoor-Spülbox und einem abgetrennten Raum für mikroskopische Untersuchungen. Zwei Jahre später stellten wir Dr. Halbach ein und steckten noch mehr Energie in unser ET-Programm. Mitte der Neunziger Jahre fingen wir mit IVF an. Dazu holten wir einen Embryologen aus Südafrika. Nachdem er weg war, machten wir nur noch konventionelle ET‘s. Bis uns auch Dr. Halbach verließ und wir 2006 Dr. Daniela Demetrio, die als eine der besten IVF-Embryologen der Welt gilt, einstellen konnten. Zu der Zeit bauten wir ein zweites Embryolabor für weitere IVF-Projekte. Nach einigen Jahren stellten wir komplett auf IVF um. Wir machen nur ET‘s, wenn das in einem Exportauftrag verlangt wird.“

MEHR MILCH

Die fortschrittliche ET- und IVF-Anwendung bei Ruann und Maddox Dairy (die zusammen 5.500 Milchkühe halten) spricht für eine progressive Zuchtpolitik. Maddox: „Mein Vater hat die Möglichkeiten von ET sofort erkannt. Alle Züchter wollen immer mehr Nachkommen aus ihren besten Kühen. Wir entdeckten schnell, dass bestimmte Kuhfamilien rentabel waren und erheblich zum genetischen Fortschritt beitrugen. Das führte zu viel mehr EX-Kühen, mehreren Generationen Excellent und einigen sehr großen Kuhfamilien. Um das Jahr 2000 hatten wir dann fünf sehr rentable Familien mit jeweils 180 bis 300 weiblichen Nachkommen in unseren Herden: die Merlas mit viel Milch, die Glorys mit hohem Exterieur und vielen EX-Tieren, die Taunas mit großartigen Eutern, die Dorindas mit schauwürdigem Exterieur und die Posch-Familie mit hohen Zuchtwerten. Aktuell haben wir einige Elitedonoren, die wir weiterhin einsetzen, weil uns ihre Nachzucht so gut gefällt. Uno Posch-25282 hat mehr als 160 Nachkommen, Shamrock Anna-11201 hat 88. Sidney Jean-85880 hat 72 Töchter (über 20 EX), darunter EX-95 Doorman Jean. Und Punch Norain-26484 hat 127 Nachkommen, von denen einige zu unseren höchsten DNA-Färsen gehören.“

Der intensive Einsatz von ET und IVF brachte Veränderung in die Herden. „1980 melkten wir auf Ruann 800 Kühe, von denen nur die Hälfte Herdbuchtiere waren. Zwei Jahre später gründeten wir Maddox Dairy mit einer Kapazität für 3.200 Milchkühe. Die meisten unserer zugekauften Kühe waren keine Herdbuch-Holsteins. Wir pflanzten zuerst Embryonen bei unseren Nicht-Herdbuch-Tieren ein und später im schlechteren Segment unserer Herdbuchkühe. 1996 waren alle unsere 4.500 Milchkühe im Herdbuch eingetragen. 1992 stellten wir in eigenen Untersuchungen fest, dass ET-Nachkommen nicht nur ein besseres Exterieur hatten, sondern auch im Schnitt 1.800 kg mehr Milch als der Rest der Herde produzierten.“ Über den Einfluss auf den Handel sagt Maddox: „Wir haben uns auf Großaufträge spezialisiert und exportieren in mehr als 35 Länder. Mit unserer Herde können wir jede mögliche Produktspezifikation erfüllen oder Embryotypen liefern. Wir züchten für den Schauring, B&W und R&W, hohe Genomics, TPI, PTAT/Typ und Polled. Nach der Zuchtwertschätzung im Dezember 2023 hatten wir die höchste gPTAT-Färse und die höchste Red Holstein in Amerika.“

AURORA

Aurora Ridge Dairy im US-Bundesstaat New York melkt 2.650 Kühe. Herdsman David Harvatine: „Früher wurde ET genutzt, um mögliche Zuchtbullen und neue Donortiere zu züchten. Heute, vor allem in Verbindung mit IVF, setzen wir die Technik ein, um möglichst viele Kuhkälber aus unseren besten weiblichen Tieren sowie einige Zuchtbullen zu züchten. Unseren aktuellen Standort können wir nicht erweitern. Deshalb ist es unser Ziel, in jeder Box eine Kuh zu haben, die mit bestmöglicher Genetik ausgestattet ist. Die Familien unserer Donoren und hohen weiblichen Tiere haben uns von ihrer Klasse überzeugt, so dass ihr Anteil an der Herde größer werden soll. Zurzeit stehen 17 Färsen auf einer Boviteq-Satellitenstation in Pennsylvania. Normalerweise haben wir 12 bis 15 Donortiere in einer zweiwöchigen IVF-Routine. Ich mag es, alle zwei Wochen IVF anzuwenden und so pro Donor möglichst viele Anpaarungen machen zu können. Alle daraus gewonnenen Embryonen werden eingefroren. Wir lassen auch ET machen, wenn es einen Embryovertrag für den Export gibt, in dem herkömmlicher ET gewünscht wird.“

Für Harvatine bleiben ET und IVF eine Herausforderung. „Es ist stressig, wenn die höchste Donor nicht sehr viele Embryonen produziert hat. Oder wenn es weniger Trächtigkeiten gibt als erhofft. Die Fokussierung auf ständige Verbesserung und Details kann ermüdend sein. Aber nichts verleiht einem so viel Energie wie die Zucht einer neuen Donor für das eigene Programm.“

Die OPU/IVF-Technik hat in diesem Jahrhundert die Holsteinzucht revolutioniert.

RENTABEL

Harvatine rät, die Kosten im Blick zu behalten. „Ich kontrolliere unsere monatlichen Ausgaben genau und berechne den Selbstkostenpreis pro Embryo. Das Zusammenfügen von Eizellen hat sich für uns als Vorteil erwiesen und Donoren, deren Eizellenproduktion unter eine bestimmte Grenze sinkt, werden schnell aussortiert. Ich bin und bleibe der Meinung, dass sich Investitionen in Genetik auf kommerziellen Betrieben lohnen. Der Einsatz von gesextem Sperma kann sehr rentabel sein. Aber ET/IVF hat das Potenzial, noch mehr Gewinn zu generieren. Ich war schon immer jemand, der lieber vorausläuft als hinterher.“ Die Liebe zur Zucht ist Harvatine zufolge dabei ein Muss. „Am allerwichtigsten ist, dass man sich für Genetik interessiert. Zucht ist meine Leidenschaft, und es ist hilfreich, dass meine Kollegen sie teilen und mich unterstützen. Die Ausgaben können schnell sehr hoch werden, also muss man einen langfristigen Plan haben und hart arbeiten, um sein Ziel zu erreichen. Für mich war es ein Prozess von bestimmt 23 Jahren, das heutige Niveau zu erreichen. Aber ich habe immer neue Ideen und Pläne bezüglich der Ziele, die wir noch erreichen müssen und wie wir das schaffen. Die „richtige“ Genetik zu haben ist abhängig davon, dass ich mich ständig auf unsere Ziele fokussiere statt dem neuesten Zuchttrend hinterherzujagen. Dazu gehört auch, dass man es akzeptieren muss, wenn eine Anpaarung nicht funktioniert.“

Harvatine züchtete den erfolgreichen TPI-Bullen Aurora Mitchell. Ein weibliches Ergebnis von absolutem Topniveau ist die fünf Jahre alte Aurora Rapid 21849 VG-85 (3014 gTPI). „Sowohl Mitchells als auch Rapids Familie haben sich in unserer Herde bewährt. Ein großer Teil unserer aktuellen Donoren kommt aus diesen Blutlinien. Rapid 21849 hat vor kurzem zum zweiten Mal gekalbt. Ich bin sehr stolz auf die Tatsache, dass sie in der Herde mitläuft, zusammen mit ihrer großartigen Tochter Parfect 23719 GP-83, ihrer Mutter Frazzled 19447 VG-87 und ihrer Großmutter Doorsopen 17054 EX-92. Mein Bestreben ist es, alle unsere Donortiere mit 14 bis 15 Monaten tragend zu haben. Ich möchte, dass sie Teil unserer Milchviehherde werden, weil die phänotypischen Leistungen meines Erachtens wesentlich für unseren künftigen Erfolg sind.“

Bernd Sommer, Inhaber von Holstein Forum: „Mit ET kann man sehr gute Ergebnisse erzielen.“

PHÄNOMENAL

Dr. Aaron Prososki, wie sein Vater Dr. John Prososki (WET Holsteins) Tierarzt und ausgebildeter ET-Spezialist, ist Mitinhaber von Sunshine Genetics in Wisconsin. Sunshine Genetics beherbergt 350 - 400 Donortiere, hat einen klimatisierten Raum für die Eizellengewinnung, ein In Vivo-Labor und ein „Indoor“-IVF-Labor. Prososki: „Ich schätze, dass rund 80 % unserer Arbeit hier bei uns stattfindet und 20 % auf den Betrieben unserer Kunden. Einer der größten Vorteile der Unterbringung an unserem Standort ist, dass wir die absolute Kontrolle über die Donortiere haben und sie individuell für den maximalen Erfolg vorbereiten können. Beispiele dafür sind unsere sorgfältig geführten Hormonprotokolle, bei Donoren der Wechsel zwischen konventionellem ET und IVF, die Einstufung von Embryonen für den Export usw.“

Laut Prososki bietet der Einsatz von IVF diverse Vorteile gegenüber ET. „IVF kann bei präpuberalen und tragenden Donoren stattfinden, in einigen Fällen ist die Stimulation mit FSH nicht nötig und in jedem Fall in viel geringerer Dosierung als im Vergleich zum herkömmlichen ET. Gleichzeitig ermöglicht das Durchlaufen des Verfahrens alle zwei Wochen eine viel größere Streuung bei den eingesetzten Bullen. Die IVF-Technik wird immer weiter entwickelt und verbessert. Ein Nachteil ist, dass es bei eingefrorenen IVF-Embryonen nicht unüblich ist, dass man schlechtere Befruchtungsergebnisse erzielt als bei eingefrorenen In Vivo-Embryonen. Durch IVF-Embryonen kommt es allgemein auch zu mehr Aborten, Totgeburten, mitunter zum „Large Offspring Syndrome“ und, wenn auch nur sporadisch, zu genetischen Abnormitäten bei der Geburt. Wir stellen fest, dass in Nordamerika oder zumindest bei den Kunden von Sunshine Genetics der Großteil der IVF-Embryonen frisch übertragen wird. Die Trächtigkeitsergebnisse von frischen IVF-Embryonen sind mehr als akzeptabel.“

Prososki hat auch eine Empfehlung: „Allen, die mit ET/IVF anfangen, rate ich, sich zuerst auf konventionellen ET und das Empfängertiermanagement zu konzentrieren. Aus Managementsicht ist konventioneller ET arbeitsintensiver. Aber In-Vivo-Embryonen sind widerstandsfähiger als IVF-Embryonen. Sobald man über die Basiskenntnisse in hochwertiger Reproduktionstechnik als Managementtool verfügt, es sichtbare Erfolge bei der Synchronisierung der Empfängertiere gibt, man mit konventionellem ET und dem Auftauen und Übertragen von Embryonen vertraut ist, kann es Zeit sein, IVF in das Programm aufzunehmen. IVF hat viele Facetten und ist manchmal eine „Achterbahn“ der Ergebnisse für diejenigen, die sie nicht richtig verstehen. Wenn sie korrekt eingesetzt und gemanagt wird, kann IVF ein phänomenales Hilfsmittel sein.“

WIEDER ET

„ET hat eine Revolution in der Zucht in Gang gesetzt. Dank dieser Technik war es erstmals möglich, aus den genetisch besten weiblichen Tieren große Anzahlen von Nachkommen zu züchten. Da sich Embryonen relativ leicht transportieren und exportieren lassen, wurden anschließend ganz neue Märkte erschlossen.“ Das Wort hat Bernd Sommer, Inhaber der deutschen Handelsplattform Holstein Forum. Der intensive Einsatz von ET und nun auch OPU/IVF bietet Züchtern und Viehhaltern Sommer zufolge heute viele Möglichkeiten. „In den letzten Jahren spielt IVF speziell in Nordamerika eine immer größere Rolle. Ob alle zwei Wochen Embryonen von unterschiedlichen Bullen oder Embryonen aus tragenden Tieren – die Möglichkeiten sind quasi unbegrenzt. Durch die starke Entwicklung von ET und IVF ist der Markt für Genetik viel größer geworden. Viehhalter, die ihre Herden ausbauen möchten, können heute zu bezahlbaren Preisen Embryonen aus bewährten Topfamilien kaufen.“

Sommer erkennt die Vorteile von IVF, sieht aber auch Nachteile. „In Nordamerika hat IVF ET größtenteils abgelöst. Der Grund für diesen Erfolg liegt in der strikten Geheimhaltung der Zusammensetzung der Medien, die nordamerikanische Betriebe in den Labors bei der Reifung, Befruchtung und Entwicklung von Embryonen einsetzen. Die Qualität der in Europa entwickelten und genutzten Medien für IVF ist schlechter. Die Folge können weniger Embryonen, Trächtigkeiten und ausgetragene Kälber sein und mehr Schwergeburten durch Kälber mit teilweise 60 – 70 kg. Deshalb stellen einige kommerzielle Milchviehbetriebe keine Empfänger mehr für die Übertragung von IVF-Embryonen zur Verfügung.“ Sommer bezweifelt aber, dass, auch wenn die europäischen Betriebe über die bestmöglichen Medien für IVF verfügten, diese Technik bei uns den gleichen Stellenwert hätte wie in Nordamerika. „Die großen Zuchtprogramme in Nordamerika sind stolz, wenn sie eine Zuchtwert-Nummer 1 aus einer zwölf Monate alten Mutter aus einer zwei Jahre alten Großmutter gezüchtet haben. Eizellen aus nur ein paar Monate alten Donoren ist in Europa dagegen nicht angesagt. Der Milchviehsektor könnte dabei wahrscheinlich nicht auf gesellschaftliche Akzeptanz zählen.“

Sommer hat als Züchter Erfahrung mit IVF, arbeitet aber bewusst nur noch mit ET . „Mit ET kann man sehr gute Ergebnisse erzielen. In der letzten Zeit hatten wir im Schnitt acht bis zehn Embryonen pro Spülung; das ist sehr zufriedenstellend und hilfreich.“

‘Allen, die mit ET/IVF anfangen, rate ich, sich zuerst auf konventionellen ET und das Empfängertier- management zu konzentrieren.’

Aurora Mitchell, die dritte ET-Generation von Aurora Ridge Dairy in New York

DISKUSSIONEN

Søren Ernst Madsen und seine Frau Elisabeth Ravnevand bewirtschaften in Dänemark den Zuchtbetrieb Tirsvad Genetics (siehe HI 12/2023) und betreiben den ET- und OPU/IVF-Service TransEmbryo. Für Madsen haben sich in den letzten Jahren große Entwicklungen vollzogen. „ET bleibt eine wertvolle Technik, sowohl für einzelne Züchter als auch große Zuchtorganisationen. Einige Züchter arbeiten gern mit ET, um bessere Nachkommen für ihre eigene Herde zu züchten, während andere gern IVF bei tragenden Schautieren anwenden. Die großen Unternehmen unterhalten immer häufiger von ihnen selbst gegründete und kontrollierte IVF-Zentren. Das ist ein weltweiter Trend.“ Madsen ist selbst OPU/IVF-Spezialist. „IVF bietet bestimmte Vorteile, zum Beispiel den Einsatz bei tragenden Tieren und die Möglichkeit, alle zwei Wochen junge Donortiere mit einem anderen Bullenvater anpaaren zu können. Aber IVF hat auch Nachteile bzw. bietet Herausforderungen, wie gut die Qualität des genutzten Mediums auch sein mag. Die Zucht von Embryonen außerhalb der Gebärmutter steigert die Gefahr von Aborten in allen möglichen Stadien der Trächtigkeit sowie von zu groß geborenen Kälbern. Und dürfen wir junge Donortiere operieren, nur weil wir ein möglichst kurzes Generationsintervall wollen? Es ist wichtig, dass wir als Berufsgruppe der Veterinäre diese Themen und Probleme erkennen und diskutieren. Damit wir dann unvoreingenommen Ausgangspunkte aufstellen können, an die wir uns halten wollen. Besonders in dem Wissen, dass uns die Gesellschaft in den westlichen Ländern über die Schulter sieht und nicht nachlässt, von der Viehzucht Tierwohleffekte zu fordern.“

FANTASTISCHE HERDEN

Mark Nutsford ist ET-Spezialist bei Celltech Embryo Transfer und Besitzer des Zuchtbetriebs Riverdane Holsteins (HI 07/2023) im Vereinigten Königreich. „ET und OPU/IVF sind von der Technik her kaum vergleichbar. ET passt in dieser Hinsicht besser zu mir.“ Nach den wichtigsten Rahmenbedingungen für gute ET-Ergebnisse gefragt, erwähnt er als erstes die Fütterung. „Die richtige Fütterung für ET ist mehr als eine hochenergetische und eiweißarme Ration. Auch die Aminosäuren Methionin, Lysin und Leucin sind von wesentlicher Bedeutung. Sie müssen in der richtigen Zusammensetzung vorhanden sein. Bleiben die Spülergebnisse in einem Betrieb wegen möglicher Mängel in der Ration hinter den Erwartungen zurück, ziehen wir immer den Fütterungsberater vor Ort hinzu. Der kennt schließlich die Ration auf dem Betrieb, für den wir arbeiten, am besten.“

Gerade für Milchviehhalter mit gutem Betriebsmanagement, bei denen eine gute Raufuttergewinnung und Rationszubereitung Standard sind, bietet der Einsatz von ET Nutsford zufolge enorme Chancen. „Dass die eine Färse 40 kg produziert und die andere mit derselben Ration bei 28 kg steckenbleibt, zeigt den großen Mehrwert guter Genetik. Auf den Betrieben, die durch den strukturellen ET-Einsatz ihre genetisch besten Tiere so gut wie möglich nutzen, sieht man fantastische Herden.“ l

50 JAHRE IETS

1974 war das Geburtsjahr des ersten Holstein-ET-Kalbes Rockalli Son of Bova. 1974 war aber auch das Gründungsjahr der International Embryo Technology Society. Diese Vereinigung, kurz IETS genannt, hält alljährlich einen Kongress ab. „Im Januar konnten wir bei unserem Jubiläumskongress 600 unserer insgesamt 1.000 Mitglieder begrüßen. Der fand in Denver, Colorado, statt, wo IETS vor 50 Jahren gegründet wurde“, berichtet Rebecca Krisher, IETS-Vorsitzende und als Global Senior Director of Reproductive Biology bei Genus ABS beschäftigt. „ET- und OPU/IVF-Spezialisten aus der ganzen Welt zusammenzubringen, der Austausch von Wissen, gemeinsame Diskussionen und damit Schritte nach vorn zu machen – dafür wurde IETS gegründet.“ Als wir sie nach den speziellen Themen des Jubiläumskongresses fragen, erklärt Krisher: „Die reichen von rein wissenschaftlich bis hin zu eher praxisbezogen. Zur ersten Kategorie gehört die Relation zwischen OPU/IVF und der CRISPR-Technik, auch Gene Therapy genannt. Mehr praxisbezogen sind da unter anderem die Diskussionen über den besten Umgang mit Donor- und Empfängertieren. Eine neue Entwicklung, zu der intensiv geforscht wird, sind Gebärmutteruntersuchungen bei Empfängern. Nicht nur mit Ultraschalltechnik, sondern irgendwann vielleicht auch durch Biopsie, so dass bei einem Empfängertier gleich vor Ort und fast unmittelbar festgestellt werden kann, ob sich die Gebärmutter für die Aufnahme eines Embryos eignet.“ Krisher kennt noch eine andere Marktlücke. „Wegen der großen Nachfrage nach OPU/IVF besteht ein großer Mangel an Laboranten. Hier bieten sich Schülern und Studenten tolle Karrierechancen.“